Von Sex-Statistiken und Urin-Analysen

smart condom (Screenshot von www.britishcondoms.co.uk)
smart condom (Screenshot von www.britishcondoms.co.uk)

In Zukunft werden wir von vielen „smarten“ Dingen umgeben sein, die unser Leben erleichtern, bespaßen oder uns Routinearbeiten abnehmen. Von sprechenden Kühlschränken, vernetzten Armbändern und Connected Cars  haben wir alle schon gehört. Und es kommt immer näher an uns ran, das Internet der Dinge (IoT), – bis unter die Bettdecke …

Morgendlicher Haar-Check

Begleiten Sie mich ins Badezimmer: Die erste „intelligente“ Haarbürste hat es auf den Markt geschafft, genauer auf den Kopf – die Smart Brush von Kérastase. Ein integriertes Mikrofon erfasst während des Kämmens alle Geräusche, um detaillierte Infos über Trockenheit oder Splissanfälligkeit des Haares zu gewinnen. Für Deutschland wird uns der „Hair Coach“ ab Herbst 2017 versprochen. Hoffentlich ist Ihr Fön nicht zu laut, sonst klappt’s womöglich nicht mit dem lauschenden Pflegeinstrument.

Urin-Analyse auf der Toilette

Der Toilettenhersteller Duravit bietet seinen Kunden – na endlich – eine „intelligente“ Toilette. Das App-gesteuerte WC analysiert den Urin des Nutzers und schickt die Messwerte an dessen Smartphone oder Tablet. Konkret gemessen werden beispielsweise Glukosegehalt, Leukozytenzahl, Blutanteil, Proteinwert und pH-Wert. Und dann? Der Analysierte kann nach der Erleichterung seinen Ernährungsplan ändern oder seine Lebensgewohnheiten überdenken. Er kann sich aber auch einfach nur dazu entschließen, sich von einer Toilette keine Vorschriften machen zu lassen.

Intime Begegnungen trotz Fernbeziehungen

Der Vibrator „We-Vibe“ berührt die intimsten Stellen des Körpers und der Hersteller dieses Sex-Spielzeugs glaubt, damit besonders Fernbeziehungen etwas Gutes tun zu können. Der Vibrator lässt sich mit einer Smartphone-App über große Distanzen fernsteuern und Paare können sich per Video- und Text-Chat gegenseitig anstöhnen. We-Vibe trackt während dessen beispielsweise Datum, Aktivitätsdauer und Vibrationsintensität. Anfang des Jahres bekam We-Vibe eine Sammelklage, da er intime Daten ohne Wissen und Einwilligung seiner Kunden weitergab.

Höhepunkte messbar machen

Bleiben wir im Bett. Der englische Kondomhersteller „British Condoms“ möchte in diesem Jahr das „i.Con“ auf den Markt bringen. Es handelt sich dabei um einen Ring, den man über das Kondom stülpt. Das „smarte“ Kondom misst neben Puls und Herzfrequenz auch den Kalorienverbrauch, die Anzahl und Geschwindigkeit der Stöße oder die Sex-Dauer – anonym, betont der Hersteller. Die Daten können aber auch veröffentlicht werden, wenn der Nutzer gerne sein Intim-Leben mit anderen teilen möchte.

Smart? Intelligent? IoT löst Probleme, die es nie gab

IoT cc by-nc-nd/3.0/de/ (bpb)

Viele analoge Gerätschaften werden heute einfach vernetzt, um attraktiver am Markt zu erscheinen. Jeder von uns kann entscheiden, wie nah er das IoT an sich heranlässt. Es gibt in diesem großen Markt Tools und Services, die machen durchaus Sinn und erleichtern das Leben (wie beispielsweise automatisierte Heizungsregelungen). Es gibt aber auch Erfindungen, die komplett überflüssig sind.

Stefan Ullrich hat das kürzlich in einem Interview auf Deutschlandfunk überspitzt dargestellt. „Das Internet der Dinge löst Probleme, die es nie gab“, so der Diplom-Informatiker. Am Beispiel des Lichtschalters stellt er das sehr amüsant dar: „Sie nehmen Ihr Smartphone aus der Hosentasche, geben das Passwort für den Sperrbildschirm auf dem hoffentlich aufgeladenen Telefon ein, wählen die korrekte App und Drücken oder Wischen dann über den Bildschirm. Dann wird ein entsprechender Befehl direkt oder indirekt an die smarte Glühbirne geschickt, die sich daraufhin – schwupp – einschaltet. …. Früher hätten Sie auf den Lichtschalter drücken müssen.“

Kein Schutz der Daten

Über Datenschutz und Privatsphäre kann nur gesagt werden: Hersteller und Anwender von sogenannten smarten Geräten sind mit Sicherheitsproblemen komplett überfordert oder vernachlässigen die so wichtigen Sicherheitsaspekte. Auch gab es immer wieder Hacker-Angriffe (Telekom im November 2016), die Teile des Internets lahmlegten. Für solche Attacken nutzen Kriminelle mittlerweile gerne vermeintlich smarte Haushalts- und Elektrogeräte, die ungeschützt im Netz hängen.
Prinzipiell sind noch viele Dinge zu klären: Wer hat Zugang zu den Daten, die IoT-Komponenten erzeugen? Wo werden diese gesammelt? Welche Ergebnisse werden aus den Daten herausgelesen? Was ist, wenn Arbeitgeber, Krankenkassen oder Versicherungen auf diese Daten zugreifen können? Oder was passiert, wenn sich die Gerätschaften untereinander austauschen?

Dazu möchte ich auch auf die Ergebnisse einer umfangreichen Recherchearbeit der Süddeutschen hinweisen. Das Team der SZ hat nach eigener Information „viele Belege dafür gefunden, wie grundlegend unsicher die Architektur der totalen digitalen Vernetzung ist“. „Krieg im Netz der Dinge

Übrigens: Auf Twitter gibt es einen Account namens Internet of Shit. Dort werden täglich neue nutzlose vernetze Dinge vorgestellt. Unterhaltsam. Aber auch gruselig in Sachen Datenschutz und Datensicherheit.

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