Ja, sagten die höchsten deutschen Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) Mitte Juli nach jahrelangem Rechtsstreit. Private Daten im Internet wie ein Facebook-Konto fallen nach dem Tod des Nutzers grundsätzlich an seine Erben. Bei Briefen und Tagebüchern sei das ganz üblich, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. Es bestehe kein Grund, digitale Inhalte anders zu behandeln.
Zum Urteil (tageschau.de)
Vorausgegangen ist ein Streit eines gesperrten Facebook-Kontos eines 2012 verstorbenen Mädchens. Die 15-Jährige wurde unter bisher ungeklärten Umständen von einer U-Bahn erfasst und starb an den Folgen des Unfalls. Da nicht geklärt ist, ob es sich dabei wirklich um einen Unfall oder einen Suizid handelte, wollten die Eltern gerne die Facebook-Kommunikation der Tochter vor ihrem Tod nachvollziehen. Sie hatten das Passwort. Das Konto war aber bereits aufgrund eines Hinweises eines Nutzers auf den Tod des Mädchens auf „Gedenkzustand“ umgewandelt worden, ein Profil-Zustand für Verstorbene auf Facebook.
Facebook rechtfertigte seine Haltung damit, dass der Gedenkzustand nicht nur die Rechte verstorbener Nutzer schütze, sondern auch die der Freunde.
Wir haben dazu Sabine Landes und Dennis Schmolk gefragt. Sie engagieren sich schon seit Jahren für den digitalen Nachlass und leisten Aufklärungsarbeit. Die beiden sind auch Veranstalter der Konferenz „digina“, die 2016 in Hamburg und 2017 in München stattfand.
Was haltet ihr davon, dass Facebook die Daten bisher nicht an die Eltern herausgab, um die Rechte der Freunde der Verstorbenen zu schützen?
Prinzipiell finden wir diese Auslegung jedenfalls nicht falsch. Die Zugriffsmöglichkeiten, die ein Facebook-Login mit sich bringt, sind wesentlich weitreichender als bei einem postalischen Briefkasten. Wer den Zugang hat, kann Jahre an Korrespondenz nachlesen. Außerdem hat er Zugriff auf die geheimen Gruppen, in denen der eigentliche Account-Inhaber Mitglied war – wenn nun die Erben diesen Zugang erhalten, ist das so, als würde die Familie eines Geschäftsführers plötzlich dessen Rolle erben und Zugriff bekommen auf alle Geschäftsgeheimnisse. Dieser Vergleich scheint uns passender als der mit dem Schneckenpost-Brief.
Der „Gedenkzustand“, den Facebook anbietet, ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ein ganz ordentlicher Kompromiss zwischen Datensicherheit der Kontakte des Verstorbenen einerseits und dem Recht der Erben auf Online-Trauer und Gedenken andererseits. Wie immer bei Facebook: Es wäre schön, komfortabler einzelne Bereich regeln zu können.
Können digitale Inhalte vererbt werden?
Na klar. Das beginnt bei Werken im Sinne des Urheberrechts, die der Verstorbene hinterlässt; (fast) niemand würde den Erben streitig machen, das unveröffentlichte digitale Manuskript eines Autors zu erben und auszuwerten oder dessen Fotos zu nutzen. Aber auch andere Daten, Kommunikationen und virtuelle Wertgegenstände – man denke an Bitcoin und andere Krypto-Währungen – sind vererbbare Daten.
Nicht alle digitalen Konten bieten eine Nachlassregelung, wie wir sie bei Facebook vorfinden. Wie ist aus eurer Sicht das Bewusstsein in der Gesellschaft zum digitalen Erbe?
Das Thema ist als solches schon präsent, jedenfalls bei digital aktiven Menschen. Wie bei allen Vorsorgethemen muss aber meist erst etwas passieren, bevor man sich konkret um die eigene Regelung Gedanken macht. Wenn große Player wie Google oder Facebook eine technische Unterstützung wie Facebooks Nachlasskontakt oder Googles Inaktivitätsmanager bieten, hilft das der Präsenz des Themas auf jeden Fall weiter.
Welche praktischen Tipps empfehlt ihr Menschen, die euch fragen, wie sie das Thema digitales Erbe angehen sollen?
Wer sich zu Lebzeiten Gedanken macht, ob und wie er seinen digitalen Nachlass regeln will, macht am besten erst ein Mal eine Bestandsaufnahme: Was ist da, was ist wichtig, was kann schädlich werden oder die Hinterbliebenen nerven? Dazu bietet sich ein Datentagebuch an: Einfach mal ein paar Wochen digital oder analog aufschreiben, welche Dienste man so benutzt, wo man überall Daten hat. Danach kann man festlegen, was damit passieren soll: Fortführen? Löschen? Unverändert erhalten? Ignorieren?
Dazu gehören die Infos, die der voraussichtliche Erbe (oder z.B. ein Testamentsvollstrecker) braucht, um das in die Wege zu leiten: Erklärungen, konkrete Handlungsanweisungen, Zugangsdaten. (Zwei-Faktor-Authentifizierungen nicht vergessen und Zugang zum Smartphone einplanen!) Und schließlich muss das noch dokumentiert werden: Ganz klassisch als handschriftliches Testament, als postmortale Vollmacht, als Brief an die Hinterbliebenen oder als Passwort-Datenbank mit Notizen.
Mehr Informationen gibt es in: Digitaler Nachlass: Das Handbuch für Vorsorgende und Hinterbliebene.
Mehr dazu:
- Digitales Erbe und die Verantwortung der Unternehmen
- Sterben 2.0: Was geschieht mit meinen Daten nach meinem Tod?