Fünf Fragen an … Cem Karakaya

Cem Karakaya
Cem Karakaya

Cem Karakaya kennt als Polizist und Internetnerd der ersten Stunde die dunkle Seite des Internets. Über sein Buch “Die Cyber-Profis“, das er zusammen mit der Journalistin Tina Groll verfasste, sind wir auf den ehemaligen Mitarbeiter von Interpol aufmerksam geworden. Mittlerweile hilft er mit seinem jahrzehntelang erworbenen Wissen und seiner praktischen Erfahrung bei der Aufklärung digitaler Verbrechen oder Straftaten.
Cem Karakaya arbeitet als Experte für Internetkriminalität und Prävention – besonders an Schulen und Bildungseinrichtungen und betreibt die Firma blackstone432.

Wir sind im Jahr 2019 – wie bewegen Sie sich in der digitalen Welt?

Ich nutze meine elektronischen Geräte immer mit eingeschaltetem Gehirn (lacht). Auch das Smartphone ist mittlerweile ein Computer, das alles aufzeichnet, es beinhaltet schließlich Mikrochips, Controller und Betriebssystem. Ich sage immer, der Computer rechnet mit allem, nur nicht mit seinem Benutzer. Das allergrößte Risiko sitzt nur vor dem Bildschirm.
Ich bin nicht in sozialen Medien, nehme mir täglich nur eine Stunde Zeit für Nachrichten und um meine E-Mails zu bearbeiten. Ab 21 Uhr und am Wochenende ist das WLAN ausgeschaltet und ich gehe einmal im Jahr für sechs Wochen in den Urlaub. Dabei bleiben die elektronischen Geräte zuhause. Mails werden in dieser Zeit nicht berücksichtigt. Obwohl ich die Technologie liebe, bin ich nicht 24 Stunden online.

Das Internet steht uns seit mehr als 25 Jahren zur Verfügung – was war Ihr persönlicher „Meilenstein“?

Das ist schon mehr als 30 Jahre her, da bekam ich von meinem Vater meinen ersten Computer – einen Commodore 64 – geschenkt. Ich brachte mir damit das Programmieren selbst bei. Schon kurze Zeit später habe ich den Computer so programmiert, dass er den Namen meines Vaters blinkend anzeigte. Er dachte, der Computer sei kaputt und war stinksauer. Kurze Zeit später ging ich mit einem 56K-Modem ins Internet. Das war der Beginn meiner Liebe zum Internet. Mein Vater selbst hatte nichts mit Computern am Hut, aber er glaubte an diese Technik, ich bin ihm dafür sehr dankbar.

Von wem sollte der Impuls kommen, um der Datensammelwut großer Unternehmen entgegenzuwirken?

Diesen Verantwortungsbereich sehe ich in erster Line in der Politik. Die DSGVO ist ja schon mal ein Anfang. Aber eben nur ein Anfang: Identitätsmissbrauch beispielsweise ist noch kein Straftatbestand. Wir stehen gerade an dem Punkt, dass wir die Kontrolle über unsere Daten verlieren. Ich versuche persönlich, meine Daten zu schützen, aber wenn ich sie an Behörden und Versicherungen weitergebe, ist das für mich unkontrollierbar. Da ist die Politik gefragt.

Aber es muss auch jeder für sich Verantwortung übernehmen. Wir haben ein digitales ICH und ein tatsächlich ICH. Mittlerweile weiß das digitale ICH dank Big Data und Algorithmen mehr über mich als ich selbst. Und dann stellen sich die Menschen noch Wanzen wie Alexa in die Wohnung, die einen 24 Stunden am Tag/rund um die Uhr belauschen. Die Polizei braucht dazu einen Gerichtsbeschluss. Die Unternehmen machen das ganz geschickt. Erst wird das Mikrofon und dann die Kamera in das Gerät installiert.

Worin sehen Sie die Herausforderungen für die nachfolgende Generation?

Die jungen Menschen sind die erste Generation, über die von Anfang an Daten gesammelt werden. Und sie geben freiwillig so viel von sich preis. Kinder und Jugendliche denken nicht an morgen. Wir durften früher auch Blödsinn machen, der wurde aber nicht dokumentiert. Sie können sich nicht vorstellen, was wir alles sehen, wenn wir Smartphones beschlagnahmen. Ich lese Whatsapp-Nachrichten, da bekomme ich Gänsehaut.

Und nehmen Sie mal an, eine Firma sucht unter seinen Bewerbern einen Nichtraucher. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, sich in den sozialen Medien über seinen potenziellen neuen Mitarbeiter zu informieren. Dieser sieht ein Partyfoto mit dem rauchenden Bewerber auf Facebook oder Instagram und schon hat er seine Absage.

Anderes Beispiel: Kinder und Jugendliche verschicken Fotos von unten frei oder oben frei, sogenanntes Sexting-Fotos. Die machen sich unter bestimmen Voraussetzungen strafbar wegen Erstellung und Verbreitung von Kinderpornografie. Wenn das herauskommt, steht das im polizeilichen Führungszeugnis. Viel Spaß bei der Jobsuche.

Welche Schutzmaßnahmen treffen Sie, um Ihre Privatsphäre zu wahren?

Grundsätzlich setze ich auf Datensparsamkeit und frage mich: Müssen wir eigentlich alles digitalisieren? Nein, müssen wir nicht, obwohl ich ein Freund der Digitalisierung bin.

Wenn ich unterwegs im Hotel oder Zug bin, nutze ich meine Sicherheits-App. Ich habe einen VPN-Dienst, bin damit jeden Tag in einem anderen Land, damit kein Profil von mir erstellt werden kann. Ich habe meinen Passwortmanager und verwende unterschiedliche Passwörter. Ich habe einen eigenen Mailserver, ich benutze keine kostenlosen E-Mail-Adressen. Ich habe unterschiedliche E-Mail-Adressen – für Online-Einkäufe, für Freunde. Ich nutze grundsätzlich die aktuelle Soft- und Hardware und spiele sofort Updates ein. Zuhause habe ich ein WLAN-Gastkonto, ich gebe niemals mein WLAN-Passwort heraus.

Nur wenn die menschliche Faulheit nicht siegt, dann können wir dem ganzen noch entgegenwirken.

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