Connected Cars: Komfort schlägt Privatsphäre

Connected cars ©pepipepper / photocase.de
Connected cars ©pepipepper / photocase.de

Ein Student leiht sich einen BMW-Mietwagen und rast durch Kölns Straßen. Die Folgen sind fatal: Der junge Mann tötet einen Radfahrer. Als er Ende Mai 2016 vor Gericht steht, greift die Staatsanwaltschaft auf die Daten des Leihwagens zurück, die der Automobilhersteller geliefert hat.

Und der kann viel liefern: Vernetzte Autos besitzen 80 bis 100 vernetzte Sensoren. Laut einer Mc Kinsey-Untersuchung erzeugen Connected Cars 25.000 Megabyte Datenvolumen pro Stunde. Dagegen bringt es ein HD-Video-Streaming im gleichen Zeitraum auf gerade einmal auf 869 Megabyte.

Sensoren sehen alles

Die Sensoren messen beispielsweise die exakte Position des Wagens, die Geschwindigkeit oder das Brems- und Beschleunigungsverhalten. Vorteil ist, dass ich Sprit, Zeit und Betriebskosten einsparen kann. Ist das Bremslicht defekt, das Kühlmittel fast verbraucht oder steht der routinemäßige Wartungstermin an – der Fahrzeugrechner hat alles auf dem Schirm und zeigt den Weg zur nächsten Vertragswerkstatt. Geht das Benzin zur Neige, schlägt die Elektronik eine Route zur Tankstelle vor. Die – das ist derzeit wohl noch Zukunftsmusik – weiß dann bereits, ob ich meinen Kaffee süß oder zuckerfrei bevorzuge.

Und was uns Autofahrern laut Erhebungen der Fahrzeughersteller besonders wichtig zu sein scheint: dass das Smartphone direkt mit der Elektronik des Autos korrespondiert. Da geht es um den Zugriff auf Terminkalender, Kontakte und natürlich die Lieblings-Playlist. Die „Noch-ohne-Smartphone-aufgewachsene“-Generation erinnert sich, dass früher Autos mit Stereoanlagen die Straßen bevölkerten, bei denen der fahrbare Untersatz weniger Wert war als der nachträglich eingebaute Hifi-Bolide. Ja, ich gestehe 😉.  Von Jugenderinnerungen nun aber zurück zu den Daten.

Ich, der gläserne Autofahrer

All diese Daten werden gesammelt, gespeichert, weitergegeben und weiterverwendet – ohne, dass ich aktiv zugestimmt hätte oder dass ein Gesetz den Datentransfer reguliert.

Bislang können die Daten zum Fahrverhalten nur von den Autoherstellern ausgelesen werden. Speicherinhalte integrierter Apps, wie beispielsweise Android Auto von Google, hortet Google. Aber wem gehören diese Informationen? Wer darf darauf zugreifen? Muss ich als Fahrer zustimmen? Wer darf die verschiedenen Sensoren im Auto anzapfen? Sind das Fahrzeugdaten oder Fahrerdaten? Durfte die Staatsanwaltschaft im Kölner Fall rechtmäßig auf die automobilen Informationen zugreifen? Das Verkehrsministerium arbeitet an einem Gesetz, das neben dem autonomen Fahren auch die Umsetzung des Datenschutzes im Auto regeln möchte. Bislang gibt es nichts Konkretes.

Im April 2018 wird der automatische Notruf „eCall“ in der EU in jedem Neuwagen zur Pflicht. Damit ist wirklich jedes Auto vernetzt.

Connected Cars: Ein milliardenschweres Geschäft

Sowohl Autobauer als auch IT Giganten, allen voran Apple und Google, ringen um die Hoheit und damit den Besitz der Fahrzeugdaten. Gesteigertes Interesse daran haben auch Versicherungen, Autozulieferer und Behörden. Es geht hier um zig Milliarden Euro. In der Autobranche befürchtet man, dass mit der Konnektivität von Autos zukünftig mehr Geld verdient wird als mit dem Autoverkauf selbst.

Zurück zu unserem Eingangsbeispiel: Dank der gespeicherten Daten konnte der Kölner Raser-Fall schnell aufgeklärt werden. Die Informationen des Fahrzeugherstellers halfen bei der Überführung des Übeltäters. Und das war auch gut so. Gleichwohl ist zu bedenken: Wäre der Fahrer Herr über seine Daten gewesen, hätte er diese wahrscheinlich nicht freiwillig herausgegeben. Denn ein wichtiger juristischer Grundsatz im Rechtsstaat lautet: Niemand muss sich vor Gericht selbst belasten.

Strafverfolgungs-Exkurs

Andererseits haben die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, etwa auf eine Hausdurchsuchung zu bestehen, um wichtige Beweise zu sichern und Verschleierung zu vermeiden. Dazu ist eine richterliche Anordnung notwendig. Datenspeicher, die persönliche Informationen enthalten – und dazu zählen auf jeden Fall Bewegungsmuster und private Kontakte und Vorlieben – gehören so gut geschützt wie eine Wohnung und dürfen wirklich nur im absoluten Ausnahmefall Dritten zugänglich gemacht werden. Diese Entscheidung steht der Industrie nicht zu!

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