Wie teuer ist meine Privatsphäre?

Was kostet meine Privatsphäre? © DieDidi / photocase.de
Was kostet meine Privatsphäre? © DieDidi / photocase.de

Ich schätze meine Privatsphäre! Auch der Nachbar gegenüber hat kürzlich einen unverschämt hohen Zaun aufgestellt, um seinen Wohlstandsbauch ungeschützt vor meinen Blicken in die Sonne hängen zu können. Und bei meinem pubertierenden Sohn funktioniert das sogar noch viel einfacher: Rein ins eigene Zimmer, Türe zu. Abstand, bitte.

Wie im echten Leben, wünsche ich mir in der digitalen Welt Privatheit. Spräche man Sie in der Fußgängerzone Ihres Heimatortes auf offener Straße im Namen irgendeiner obskuren Organisation an und würde Sie fragen, wen Sie wo getroffen haben, wann Sie welchen Zeitungsartikel gelesen und warum Sie diesen für schlecht befunden haben und welche sexuellen Vorlieben Sie pflegen? Wie würden Sie wohl reagieren?
Wenn Sie jetzt nicht zur vermeintlich hippen Truppe à la „Ich sende den aktuellen Zustand meines Bettlakens auf YouTube“ gehören, dann vermutlich strikt ablehnend, zumindest aber irritiert.

Das Privacy Paradox

Obwohl wir Menschen in der Mehrzahl ein durchaus gesundes Verständnis von Privatsphäre besitzen, verlieren wir diese häufig bei unseren Internet-Aktivitäten. Damit agieren wir gegen unser Bedürfnis nach Privatheit. Das nennt man auch „Privacy Paradox“.  Wir sorgen uns um unsere Privatsphäre, schimpfen über mangelnde Datensicherheit, gleichzeitig jagen wir täglich Fotos, Kommentare und Nachrichten durch das Internet, verschicken e-mails, nutzen Portale, googeln und bestellen online. Wir schieben unbekümmert unser Dasein und das unserer Familien und Freunde in die Rachen großer Konzerne.

Von uns werden künstliche Bilder erschaffen

Dadurch entstehen große Datenmengen, die weltweit in Echtzeit gebündelt, ausgelesen und von Unternehmen und auch Privatpersonen nach beliebigen Kriterien analysiert werden. Aus den daraus gewonnenen richtigen (und falschen) Erkenntnissen bauen Firmen und Behörden Bilder von Menschen – von Ihnen und mir! Und diese künstlich erschaffenen Bilder – sogenannte Nutzerprofile – werden gehandelt, gestohlen, verbreitet, verfälscht, ver … Genau weiß niemand, was am Ende der Liste steht.

Es gibt nichts umsonst

Als Entlohnung für unser grenzenlos zutrauliches Verhalten, erhalten wir die vermeintlich kostenlose Nutzung von Diensten wie Facebook und solche aus dem Google-Kosmos, Preisnachlässe durch Kundenkarten wie Payback oder kostenlose Datenvolumen bei Hinz oder Kunz. Dabei wissen wir doch alle spätestens mit Ende der Pubertät: Es gibt nichts umsonst!

Pay as you drive, eat and sleep

Auf das Prinzip „Gib mir deine Daten, dafür bekommst du gute Konditionen“ baut beispielsweise auch der Telematik-Tarif, mit dem unter anderem Autoversicherer experimentieren. Eine integrierte Black Box im Fahrzeug sammelt Daten des Autofahrers über sein Bremsverhalten, seine Geschwindigkeit und Kilometerstände etc. und sendet diese an den Versicherer. „Pay as you drive“, so das Motto der Versicherung und der vermeintlich geschmeidige und sichere Autofahrer (der aber vielleicht alle übrigen Verkehrsteilnehmer durch sein zögerliches und schulmeisterliches Verhalten nervt) erhält dann einen günstigen Tarif. Das impliziert natürlich, dass ein – aus Big-Data-Sicht – schlechter Fahrer (dessen rücksichtsvolles und den Verkehrsfluss förderndes Verhalten im Straßenverkehr leider nicht algorithmisch erfasst werden konnte) keinen Sondertarif bekommt. Entsprechend gibt es große und gerechtfertigte Vorbehalte gegen die computergesteuerte Überwachung und Auswertung von Fahrleistungen. Und jeder, der noch halbwegs vernünftig denkt, wird sich ihr nicht unterwerfen.

Aber: Steter Tropfen höhlt den Stein und so wird der Druck auf alle, mit integrierter Blackbox zu fahren, immer größer werden – ausgelöst durch gezielte finanzielle Nadelstiche, deren Unverschämtheit steigt. Auch andere Versicherungen springen auf diesen Zug auf. So bekommen Sie beispielsweise günstigere Konditionen für eine Krankenversicherung, wenn Sie Daten über Ihr Essverhalten, ihre körperlichen Aktivitäten und Schlafgewohnheiten preisgeben.

Selbstverständliche Privatsphäre kostet extra

Tja, der naive, gläserne Mensch ohne Schamgefühl und Sinn für Intimität wird ab sofort belohnt, die eigentlich normale und selbstverständliche Privatsphäre kostet extra! Und dabei geht es nicht einmal um Fälle wie den des dickbäuchigen Nachbarn von gegenüber, der seine Privatsphäre in den öffentlichen Raum ausdehnte und dafür in eine massive Bretterwand investieren musste. Es geht um die natürliche Privatsphäre, die uns kostenlos immer zustehen sollte, im Zweifelsfall durch ein einfaches Signal: Die Tür ist zu!

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