Fünf Fragen an … Hermann Sauer 


Hermann-Sauer, Geschäftsführer von Comidio
Hermann-Sauer, Geschäftsführer von Comidio

Hermann Sauer kennt das Internet seit seinen Anfängen. Er arbeitete viele Jahre bei EDS und Hewlett-Packard. Der Informatiker, der zu den ersten seiner Berufsgruppe gehörte, will für sich und andere die Privatheit im Internet zurückerobern. Nicht zuletzt deshalb hat er vor drei Jahren das Unternehmen Comidio mit sieben Partnern gegründet und das Produkt Trutzbox entwickelt. Diese kontrolliert den Datenfluss zwischen dem Internet und den angeschlossenen Geräten und blockiert unerwünschte Tracker, verschlüsselt E-Mails und sorgt für eine sichere Chat- und Videokommunikation. Die Software ist quelloffen.

Wir haben mit Hermann Sauer über das Internet, die Zukunft und die eigene Privatsphäre gesprochen…

Wir sind im Jahr 2017 – wie bewegen Sie sich in der digitalen Welt?

Ich bin erst einmal neugierig auf alles, was es im Internet gibt. Ich bin ein sehr technikfreundlicher Mensch und nutze beispielsweise auch Google plus und Facebook. Aber ich möchte die Kontrolle über meine Daten nicht verlieren. Deshalb bin ich sehr datensparsam. Ich überlege sehr genau, was ich auf Facebook stelle. Zum anderen habe ich natürlich meine Trutzbox im Hintergrund.



Mehr als 25 Jahre Internet – was war Ihr persönlicher„Meilenstein“?

Ende der 80er-Jahre konnte ich über meine Lehrtätigkeit an Hochschulen erste Erfahrungen mit dem Internet sammeln, als es noch gar kein World Wide Web gab. Anfang der 90er-Jahre war ich dann für ein großes Projekt verantwortlich. Wir hoben das in die Jahre gekommene deutsche BTX-System (Anmerkung der Redaktion: Bildschirmtext) auf eine multimediale Internet-Plattform. Es gab damals noch keine frei verfügbare Software, so dass wir alle Standard-Internet-Programme und deren Protokolle, wie Mail, FTP, news-Server (NNTP), IRC (Chat), Browser, Webserver, Autorensysteme usw. selbst entwickeln mussten. Das war der Zeitpunkt an dem ich von dem gewaltigen Potential angesteckt wurde, das das Internet bietet.

Von wem aus sollte ein Impuls kommen, um der Datensammelwut großer Unternehmen entgegenzuwirken?

Wir haben eigentlich schon viele Gesetze, die uns theoretisch schützen. Diese werden jetzt zwar durch die neue Europäische Datenschutz-Grundverordnung an den technischen Stand des Internets angepasst, allerdings werden die Regelwerke immer der rasanten Entwicklung der Technik hinterherhinken. Und Unternehmen werden weiterhin Lücken finden, um uns weiter ausspähen. Außerdem fehlt es derzeit an Wissen und Manpower, um Kontrolle und Strafverfolgung durchzuführen. 
Hinzu kommt die Internationalisierung. Durch die offenen Grenzen des Internets bräuchten wir internationale Organisationen, die das regeln. Die haben wir nicht. 

Deswegen müssen wir die Verantwortung für unsere Privatsphäre auch selbst in die Hand nehmen. Außerdem sollten mehr Firmen Produkte anbieten, die der Datensammelwut großer Unternehmer Einhalt gebieten. Ich sage es mal so: ich schütze ja auch mein Haus mit einem Schloss vor unliebsamen Eindringlingen. Wenn ich immer die Haustüre aufstehen lasse, muss ich mich nicht wundern, wenn etwas abhanden kommt. Ich muss eigenständig die Haustüre verschließen und zusätzlich auf gute Sicherheitstechnik setzen.

Wo liegen die Herausforderungen für die nachfolgende Generation?



Die vielen Daten unserer Kinder und Jugendlichen, die über die nächsten Jahre gesammelt werden, sind natürlich für viele Firmen interessant und werden heute schon zur Preisdiskriminierung (individuelle Preise abhängig vom persönlichen Profil) bei Käufen oder Tarifen herangezogen.
Professionelle Datensammler, kriminelle Hacker und Geheimdienste, die mit Milliarden-Budgets ausgestattet sind, sind durch ihre technischen Möglichkeiten dem „normalen“ Internet-Nutzer weit überlegen. Dieser Entzug der Verfügungsgewalt über die eigene Person verändert die Machtbalance zwischen Menschen und Unternehmen. Diese gesellschaftliche Herausforderung gilt es zu lösen. Aus diesem Grunde sehe ich den „gesellschaftlichen Machtmissbrauch“ als eine noch viel größere und derzeit unterschätzte Gefahr für uns alle.

Hier ein Beispiel aus der deutschen Vergangenheit: 1925 gab es eine Volkszählung. Später dienten diese Erhebungen als Daten-Grundlage der Judenverfolgung. Schon heute sind in vielen Ländern bestimmte sexuelle Orientierungen strafbar und Tracker-Firmen kennen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die sexuelle Orientierung von jedem von uns. Wissen wir, in welche Richtung sich die Regierungen in den nächsten Jahren entwickeln? Bereits heute ist nachgewiesen, dass über soziale Medien Wahlen beeinflusst werden. Wissen ist Macht und ich sehe durch die massive Konzentration der Profilerhebung unsere Freiheit und Demokratie massiv gefährdet.

Wie schützen Sie sich, um Ihre Privatsphäre zu wahren?



Wie bereits erwähnt, bin ich datensparsam und vertraue meiner Infrastruktur. Natürlich kann ich mir auch damit nicht zu hundert Prozent sicher sein. Jedenfalls unterstützt mich meine Trutzbox bei der digitalen Selbstverteidigung und sie zeigt mir zusätzlich auch noch auf, wer welche Daten bekommt (lacht).

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg für Ihr Unternehmen.

(Das Interview führte Andrea Rickert).

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