Fünf Fragen an … Nora Wunderwald

Ich bin fast 24/7 online

Nora Wunderwald
Nora Wunderwald, tierindir.de

Bisher haben wir in unserer Reihe „5 Fragen an …“ Menschen interviewt, die sich besonders für den Datenschutz stark gemacht haben. Sehr offen bewegt sich dagegen eine junge Frau durch die digitale Welt: Nora Wunderwald. Sie betreibt bereits seit sechs Jahren ihren YouTube-Kanal, hat mehr als 16.000 Abonnenten und spricht darin sehr freizügig über ihr Leben, ihre Gefühle, ihre Krankheiten, ihren Stil, ihre Freunde und Träume. Wir haben die 20-Jährige auf der re:publica 18 auf der Bühne gehört und wollten gerne wissen, was die Studentin aus Erfurt von Privatsphäre und Datenschutz hält.

2018 – wie bewegst du dich in der digitalen Welt? Oder umgekehrt gefragt: Gibt es Offline-Zeiten für dich?

Tatsächlich bin ich fast 24/7 online und ständig mit meinem Kopf bei Online-Inhalten. Mein Privatleben, mein Studium, meine Karriere, meine Hobbys – alles spielt sich online ab. Aber dieses „fast“ vor dem 24/7 steht – klar – für Schlaf auf der einen und für Zeiten, in denen ich bewusst Abstand von der digitalen Welt nehme, auf der anderen Seite. Dann lese ich zum Beispiel ein Buch oder eine Zeitschrift. Als Print. Oder male, tanze, mache Yoga.

Du betreibst seit vielen Jahren einen eigenen Video-Kanal. Was war deine Motivation damit zu starten?

Ich habe selbst Videos von YouTubern verfolgt und hatte riesengroße Lust, das auch zu machen. Und als ich dann angefangen hatte, hat mich der Spaß an der Kreativität und allem anderen, was zu einem Channel dazugehört, nicht mehr verlassen.

Kannst du eine besonders schöne und eine sehr schlechte Erfahrung nennen, die du mit dieser Tätigkeit als Influencerin gemacht hast?

Die schönste Erfahrung ist die Freundschaft mit Luka und Imina, die ich vor knapp einem Jahr auch im echten Leben durch meinen Video-Kanal kennengelernt habe. Sie haben mich kontaktiert, nachdem ich mal in einem Video erzählt habe, dass mein großer Traum ist, irgendwann mal ein eigenes Magazin zu gründen. Jetzt bauen wir ein Jugendmagazin auf – genannt „TIERINDIR“, um Leuten eine Orientierungs-Plattform zu geben, die besser ist als die Zeitschriften Bravo und Mädchen, die ich als junges Mädchen gelesen habe. Es ist schön, dass ich über meine Videos hinaus Projekte verwirklichen kann, die mir am Herzen liegen.
Eine schlechte Erfahrung war wohl von engeren Bekannten immer wieder auf Unverständnis zu treffen und dann auch verletzende Sachen zu hören – insbesondere von Freunden meiner Eltern. Aber letztendlich hinterfrage ich mich deswegen immer wieder und arbeite an mir selbst. So bleibe ich auf dem Boden.

Das, was ich auf YouTube von mir preisgebe, das gebe ich preis, weil ich es will. Da habe ich die Kontrolle. Das wird vielleicht in 10 Jahren noch zu finden sein. Aber das bin ich und dazu stehe ich.

Wie stehst du zur Datensammelwut großer Unternehmen wie Facebook und Google?

Grundsätzlich finde ich es nicht richtig, von Menschen Daten zu sammeln und sie für eigene Zwecke zu verwenden oder sie an Dritte weiterzugeben. Besonders, wenn der Nutzer dadurch negative Konsequenzen im eigenen Leben erfährt. Die Nutzer sollten darüber Bescheid wissen, was mit ihren Daten passiert. Ich baue auf unsere Demokratie. Ich hoffe, dass wir Parteien gewählt haben, die den Datenschutz und die Privatsphäre regeln werden.

In deinen Videos erzählst du sehr viel über dich und dein Leben. Hast du noch eine Privatsphäre und wie schützt du diese?

Das, was ich auf YouTube von mir preisgebe, das gebe ich preis, weil ich es will. Da habe ich die Kontrolle. Das wird vielleicht in 10 Jahren noch zu finden sein. Aber das bin ich und dazu stehe ich. Wenn ich den Laptop zuklappe, bin da trotzdem nur ich. In meinem Zimmer. Allein. Das ist für mich Privatsphäre. Und solange ich diese Momente noch habe und genießen kann, ist alles okay.

Grundsätzlich finde ich, mal ganz abgesehen vom Datenschutz, dass die Gesellschaft offener mit Gefühlen, Erfahrungen und den verschiedenen Persönlichkeiten umgehen sollte. Es gibt ein so großes Spektrum und alle und alles hat eine Daseinsberechtigung. Warum nicht rauslassen, was in einem steckt und einen beschäftigt? Ehrlichkeit und Authentizität sind mir wichtig. Ich teile mit der Außenwelt meine Höhen und Tiefen und zeige nicht nur die schönen Seiten des Lebens. Das ist mir wichtig, dass ich mich so zeige, wie ich bin. Ich will mich nicht verstecken. Und mit dieser Ehrlichkeit möchte ich die Welt auch ein bisschen besser machen.

Vielen Dank für das Gespräch, auf dass sich deine Träume erfüllen. 

 

 

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2 Kommentare

  1. Ein sympathisches Interview, das aber zeigt, wie sehr sich „digital natives“ danach sehnen Teil von etwas zu sein. Es gilt als erstrebenswert in einer Gemeinschaft totaler Offenheit, Ehrlichkeit und Authentizität aufzugehen. Nora Wunderwald benennt das am Ende ganz konkret. Das diese Sehnsucht gefährlich ist hat schon der Philosoph Helmuth Plessner in „Grenzen der Gemeinschaft“ erkannt. Denn unsere Zivilisation basiert im öffentlichen, gesellschaftlichen Raum gerade auf einer gewissen Distanziertheit, einer Rollenhaftigkeit um die eigene Psyche und ihre Andersartigkeit zu schützen. Das ist auch im Internet nicht anders – eine Gemeinschaft totaler Offenlegung bedeutet am Ende immer auch die Vereinnahmung und damit Auslöschung der eigenen Person & Privatsphäre DURCH diese Gemeinschaft und ihre Meinungsmacher. Nein, die eigene Person offenzulegen gehört bestenfalls in die Sphäre der eigenen Beziehung, in die Familie und in ausgewählte Freundschaften. Der an junge Menschen gerichtete Appell sich auf YouTube und co. selbst zu zeigen, zu entblößen und zu inszenieren ist entweder naiv/sentimental und/oder ökonomisch motiviert. Nora weiß sicher, was sie offenlegen sollte und was nicht – bei ihrer Zielgruppe sieht das aber oftmals ganz anders aus.

    Ein anderer Aspekt: Welches überdimensionale Sendungsbewusstsein ist wohl nötig, um – wie einige Streamer – zu glauben, dass sich die Öffentlichkeit für alle Details des Alltagslebens zu interessieren hätte? Sicherlich gibt es bestimmte Zielgruppen, die dies tun. Aber weiter gedacht: Wenn alle Menschen ihre privaten Gedanken im Netz teilen, verkommt dann nicht ein sensibles, schützenswertes Gut – das Seelen- und Gefühlsleben – zu einem nervigen Hintergrundrauschen? Es entsteht dann zwangsläufig eine Spirale stetig wachsender Anerkennungsbedürfnisse, in der einer den anderen mit seinen ach so wichtigen Meinungen und Gefühlen überbieten will. Gerade junge Menschen sind dafür recht anfällig. Aber wollen wir eine immer narzisstischere Gesellschaft? Ich sage: Nein. Es ist an der Zeit den Wert der Privatsphäre in unserer Gesellschaft wieder stärker zu verteidigen. Das bedeutet zwar auch Einschränkungen in der Unterhaltungswelt – aber eine Unterhaltung auf Kosten der Würde und Privatsphäre der Menschen? Besser nicht…

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