Runter von der Couch!

Zum dreijährigen Jubiläum von Klartext@unverschlüsselt

Liebe Klartext-LeserInnen,

eigentlich wollte ich mit Ihnen ganz entspannt das dreijährige Jubiläum von Klartext@unverschlüsselt feiern, das exakt heute ansteht.

Horst Seehofer und Rezo – beide auf ganz unterschiedliche Weise – haben mir letzte Woche jedoch einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Ich musste für mich eine Entscheidung treffen – und muss nun Klartext reden, wie ich das in diesem Blog normalerweise nicht tue.

Ich bin nie für ein Anliegen auf die Straße gegangen, obwohl ich mit meinen 53 Jahren ein Kind des Kalten Krieges, der Energiekrise und des Baumsterbens bin. Ich gebe zu, dass ich mich nur zu gerne von Büchern und Technik ablenken ließ und eine sichere und komfortable Kindheit genoss. Das machte mich, trotz fehlender Demo-Erfahrung, zu einem kreativen und konstruktiven Freidenker, der bereit ist, sich Problemen zu stellen und Lösungen zu finden. Diese Entfaltungsmöglichkeit erhoffte ich mir auch für meine Sprösslinge und alle anderen Menschen.

Noch vor ein paar Jahren für mich undenkbar, muss ich jetzt sehen, dass Gefahr in Verzug ist!

Ich beobachte in den letzten Jahren zunehmend, wie die Politik das soziale und wirtschaftliche Erbe unserer Vorfahren, das uns viele Jahrzehnte Frieden und Wohlstand beschert hat, einfach nur aufzehrt. Anstatt es für unsere Nachfahren zu bewahren und positiv weiter zu entwickeln, lässt man Konzerne und Radikale machen, ignoriert die Themen von jungen Menschen und Familien und zerstört schlussendlich auch noch das „Neuland“, mit dem man sich ohnehin nie richtig ausgekannt hat. Anstatt die Zukunft – real und digital – menschenwürdig und sicher zu gestalten, nämlich in Übereinstimmung mit dem Willen unserer Verfassung, klopft man sich zu deren 70jährigen Jubiläum auf die Schultern – und demontiert sie doch munter weiter. Grundrechte werden eingeschränkt, Überwachung ausgebaut und wir Menschen der Willkür von Behörden und Firmen überlassen. Das aktuellste Beispiel ist der Verstoß des Bundesinnenministeriums unter Horst Seehofer, private verschlüsselte Kommunikation mit Messengern per Gesetz für willkürliche Lauschangriffe zu öffnen. Das ist Extremismus und der Weg in den Überwachungsstaat. Der Schutz von Frieden, Freiheit und Wohlstand hat schon lange keine Lobby mehr.

Dazu kommen eine öffentliche Peinlichkeit nach der anderen, die einem die Tränen in die Augen treiben: Egal, ob die verfehlten Klimaschutzziele, ein misslungener Hauptstadtflughafen, der desolate Staatskonzern Deutsche Bahn, die eigentlich nur noch als erbärmlich zu bezeichnende Situation der Bundeswehr, fatale Management-Fehler bei Asyl- und Migrationsthemen, der Umgang mit den Automobilkonzernen im Zusammenhang mit der Abgasaffäre, die Liste ist lang. Und anstatt sich konsequent um die Lösung der drängenden Probleme wie Pflegenotstand, Bildungs- und Wohnungsmangel zu kümmern, beschäftigen sich die großen Parteien lieber mit sich selbst und erlassen vollkommen unnötige Polizeigesetze und Überwachungsmaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung. Das füttern ohnehin schon fetter internationaler Konzerne und deren Eigner, von denen wir hierzulande, außer zumeist fragwürdigen Produkten, wenig haben, kommt als i-Tüpfelchen noch obendrauf.

Die Jugend macht mobil

Die Jugend sieht was passiert und ist zornig. Und sie macht mobil, wie die Bewegung Fridays For Future eindrucksvoll beweist. Und nicht nur Schüler machen ihrem Unmut Luft: Andere schließen sich mittlerweile an oder wählen aus Frust und Protest radikale Parteien. In ganz Europa sind Nazis, aber auch Linksextreme, auf dem Vormarsch und anscheinend gibt es für deren Anhänger keine andere politische Heimat mehr, als Rotten mit Anführern, die einfach nur zerstören wollen, was über Generationen aufgebaut wurde.

Ich kann Menschen wie Rezo und seine Wut auf die Regierenden verstehen, auch wenn sein Video keine journalistische Auszeichnung verdient, was – nebenbei bemerkt – auch nicht sein Ziel gewesen sein dürfte. Ich kann auch die anderen erzürnten Mitbürger verstehen, die hilflos mit ansehen müssen, wie sich die Elite nur noch an bereits Erreichtem bedient, anstatt dieses Land weiter zu bringen und für die Zukunft und seine Menschen gut aufzustellen.

Und, was soll ich sagen? Ich bin mittlerweile auch verärgert – und beschämt. Denn ich habe meinen Kindern versucht zu vermitteln, wie wichtig ethische Grundsätze und soziale Moralvorstellungen sind und wie stolz wir auf dieses Land und Europa sein können. Und was sehen wir heute? Konzernlenker, Funktionäre und Politiker, für die es keine roten Linien mehr zu geben scheint. Leben auf Kosten anderer. Rücksichtslose Selbstbedienung unter Inkaufnahme der Zerstörung von Umwelt und Vielfalt.

Und was tun wir dagegen?

Bei all meinem Groll: Dass es Gutes gibt, ist für mich unbestritten. Und es ist an der Zeit wieder mutig und konstruktiv zu werden. Positive Errungenschaften – allen voran unsere Demokratie – zu bewahren, neue Herausforderungen mit einem gesunden Geist anzunehmen, Forschung und Entwicklung im Sinne der Bürger zu fördern, Wohnraum, Grundversorgung und sozialen Frieden zu sichern und Schmarotzer und Extremisten – egal ob Personen, Parteien oder Firmen – in ihre Schranken zu weisen.

Wir können die Geschicke unserer Zukunft nicht den Schläfern, aber noch weniger den Totschlägern, überlassen, sondern müssen dafür kämpfen, dass auch unsere Kinder noch etwas von dem positiven Erbe haben, das wir entgegennehmen durften.

Also kann ich ab sofort nicht mehr einfach nur Wähler sein. Ich muss viel stärker als bisher für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder aufstehen und kämpfen – künftig auch auf der Straße!

Vielleicht sieht man sich.

Karsten Schramm

Aller Kampfeslust zum Trotz feiert Klartext@unverschlüsselt heute sein Dreijähriges. Ich möchte es daher nicht versäumen, mich ganz herzlich bei meinen Mitstreiterinnen Andrea, Anja und Lia für die immerwährende tatkräftige Unterstützung – an der Front und im Hintergrund – zu bedanken! Auf spannende weitere drei Jahre.

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