am 25. Mai 2018 erstellt, letzte Aktualisierung: 16. Juli 2019
Heimlich, still und leise trat am 25. Mai 2018 ein weiteres Datensammelgesetz in Kraft – das Fluggastdatengesetz. Der Bundestag hat es im vergangenen Jahr verabschiedet und folgt damit einer EU-Vorgabe. Für uns Bürger bedeutet das, dass der Staat sein Überwachungssystem wieder ein Stück weiter ausbaut.
Fluglinien sind nach dem Fluggastdatengesetz dazu verpflichtet, Datensätze über Passagiere – wie beispielsweise Name, Sitzplatz, Flugnummer, Mitreisende oder Reiseverlauf (vollständige Liste unten aufgeführt) – automatisch an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten. Die Daten werden sechs Monate gespeichert, anschließend viereinhalb Jahre in anonymisierter Form aufbewahrt. Allerdings kann dieser Vorgang nach einem richterlichen Beschluss wieder rückgängig gemacht werden. Ziel der neuen Datensammlung sei der bessere Schutz vor schwerer, grenzüberschreitender Kriminalität, so die Bundesregierung in der Gesetzesvorlage.
Neue Datenzentrale für das Fluggastdatengesetz eröffnet
Um die Datenmenge zu bewältigen, wird vom Bundeskriminalamt eine sogenannte Fluggastdatenzentrale eingerichtet. Dort werden die von den Luftfahrtunternehmen übermittelten Daten von Flugpassagieren (PNR-Daten) mit bestehenden Datenbeständen und Mustern von Kriminellen abgeglichen. 500 Mitarbeiter sollen diese Reisedaten auswerten!
Laut Gesetzesentwurf handelt es sich um folgende Daten, die vorab – auch von Transit-Fluggästen – erhoben werden sollen:
1. Familienname, Geburtsname, Vornamen und Doktorgrad des Fluggastes
2. Angaben zum Fluggastdaten-Buchungscode
3. Datum der Buchung und der Flugscheinausstellung
4. Planmäßiges Abflugdatum oder planmäßige Abflugdaten
5. Anschrift und Kontaktangaben, einschließlich Telefonnummer und E-Mail-Adresse
6. Flugscheindaten, einschließlich Flugscheinnummer, Ausstellungsdatum, einfacher Flug und automatische Tarifanzeige
7. Vollständige Gepäckangaben
8. Etwaige erhobene erweiterte Fluggastdaten (Advance Passenger Information-Daten), einschließlich Art, Nummer, Ausstellungsland und Ablaufdatum von Identitätsdokumenten, Staatsangehörigkeit, Familienname, Vornamen, Geschlecht, Geburtsdatum, Luftfahrtunternehmen, Flugnummer, Tag des Abflugs und der Ankunft, Flughafen des Abflugs und der Ankunft, Uhrzeit des Abflugs und der Ankunft
9. Sonstige Namensangaben
10. Alle Arten von Zahlungsinformationen, einschließlich der Rechnungsanschrift
11. Gesamter Reiseverlauf für bestimmte Fluggastdaten
12. Angaben zum Vielflieger-Status
13. Angaben zum Reisebüro und zur Sachbearbeiterin oder zum Sachbearbeiter
14. Reisestatus des Fluggastes mit Angaben über Reisebestätigungen, Eincheckstatus, nicht angetretene Flüge und Fluggäste mit Flugschein aber ohne Reservierung
15. Angaben über gesplittete und geteilte Fluggastdaten
16. Allgemeine Hinweise, einschließlich aller verfügbaren Angaben zu unbegleiteten Minderjährigen unter 18 Jahren, wie beispielsweise Namensangaben, Geschlecht, Alter und Sprachen der oder des Minderjährigen, Namensangaben und Kontaktdaten der Begleitperson beim Abflug und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu der oder dem Minderjährigen steht, Namensangaben und Kontaktdaten der abholenden Person und Angabe, in welcher Beziehung diese Person zu der oder dem Minderjährigen steht, begleitende Flughafenmitarbeiterin oder begleitender Flughafenmitarbeiter bei Abflug und Ankunft
17. Sitzplatznummer und sonstige Sitzplatzinformationen
18. Angaben zum Code-Sharing
19. Anzahl und Namensangaben von Mitreisenden im Rahmen der Fluggastdaten
20. Alle vormaligen Änderungen der unter den Nummern 1 bis 19 aufgeführten Fluggastdaten
Das ist Massenüberwachung
Mit diesem neuen Gesetz wird jeder Bürger unter Generalverdacht gestellt und es werden anlasslos Unmengen an Daten gespeichert. Zwischen dem 29. August 2018 und dem 31. März 2019 wurden nach Angaben der Bundesregierung Daten zu über 1,2 Millionen Passagieren gespeichert.
Zudem löst die Vorstellung, dass diese Daten in falsche Hände geraden, großes Unbehagen aus.
Aktualisierung am 25. September 2018
Netzpolitik: Erweiterung des Fluggastdatengesetzes: Belgien ist das erste EU-Land, das das Gesetz auf landbasierte Verkehrsmittel anwendet. Die belgische Regierung hat das Gesetz in einer Testphase auf Bus- und Bahnreisen ausgeweitet.
Aktualisierung am 15. Mai 2019:
Bürgerrechtler zogen im Mai 2019 vor Gericht, um diese massenhafte Speicherung von Passagierdaten durch den Europäischen Gerichtshof überprüfen zu lassen. Dafür hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) beim Verwaltungsgericht Karlsruhe und anderen Gerichten Klage eingereicht. Der GFF-Koordinator und Rechtsanwalt Bijan Moini erklärte: „Diese neue Form der Überwachung verletzt die Fluggäste in ihren europarechtlich garantierten Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz personenbezogener Daten“.
Insgesamt gibt es sechs Klagen gegen das Fluggastdatengesetz aus verschiedenen EU-Staaten.
Hier die Klageschrift als pdf.
Aktualisierung am 16. Juli 2019:
Finnland will seine EU-Ratspräsidentschaft dafür nutzen, die Reisebewegungen auf Schiffsverkehr und internationale Schnellzüge auszuweiten. Auch diese Transportmittel würden von Kriminellen genutzt.
netzpolitik.org: Finnland treibt Komplettüberwachung aller Reisebewegungen in der EU voran