Verkaufen Sie nicht Ihr Kind und Ihre Seele
„Wir übermitteln alle Daten der US-Behörde NSA und zusätzlich erhalten wir das erstgeborene Kind als Gegenleistung für die Nutzung unseres Dienstes.“ Das stand in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des sozialen Netzwerkes „NameDrop“, das die Wissenschaftler Jonathan Obar von der York University und Anne Oeldorf-Hirsch von der University of Connecticut für ihre Studie eingerichtet hatten.
Tja, Hand aufs Herz: Könnte Ihnen passieren, dass Sie Ihr erstgeborenes Kind verschenken, weil Sie das Kleingedruckte akzeptiert und nicht gelesen haben? 😉 . Schließlich ist es anstrengend und komplex, seitenlange rechtsbelehrende Texte zu lesen – insbesondere im Internet. Und selbst wenn man willens ist, diese Klauseln zu durchforsten, sind sie oft sperrig, trocken, juristisch und damit auch unverständlich. Dabei wollte man doch nur die schicken Schuhe bestellen oder das neue soziale Netzwerk testen.
Ein Studienteilnehmer protestiert
Die beiden Wissenschaftler aus den USA haben 543 Studenten gebeten, das soziale Netzwerk „NameDrop“ auszuprobieren. In Wirklichkeit ging es um die darin enthaltenen AGB. 74 Prozent der Studienteilnehmer entschieden sich für die „quick-join“-Variante. Dabei bekam man die Datenschutzerklärung gar nicht erst zum Lesen. Die restlichen Studenten widmeten sich etwa eine Minute den AGB. Nur ein Teilnehmer von 543 (!) protestierte gegen die Weitergabe seiner Daten an die NSA. Obar und Oeldorf-Hirsch kamen zu dem Ergebnis, dass Datenschutzerklärungen als nervige Formalitäten abgetan werden.
Seelenverkauf
Sehr kreativ war auch das britische Unternehmen Gamestation in ihren AGB. Wer am 1. April 2010 bei diesem Videohändler online bestellte, gab mit dem Akzeptieren der AGB die Besitzrechte an seiner unsterblichen Seele ab. Am 2. April desselben Jahres hatte das Unternehmen bereits 7500 Seelen gesammelt; das entsprach 90 Prozent der Käufer. Zum Glück für diese Kunden rückte Gamestation die Seelen am Ende wieder heraus 😉 .
AGB sind zu lang und kompliziert
Fakt ist: Allgemeine Geschäftsbedingungen sind fast immer zu lang und kompliziert, so dass man sie nicht lesen und verstehen kann (oder möchte). Und genau damit geht oftmals die Strategie von Unternehmen auf, gute Verträge und Konditionen zugunsten des eigenen Geschäfts zu erwirken.
Wenn Nutzer die AGB ignorieren, besteht die Gefahr, dass sie gar nicht wissen, was sie unterschreiben und was mit ihren Daten passiert. Und wir wissen alle, wenn die Daten erst einmal weitergeben wurden, ist es meist zu spät.
Also Augen auf, wenn euch eure Seelen oder die eurer Kinder lieb sind!
Kleiner Exkurs: In meinem Blogbeitrag Privatsphäre von Kindern gehe ich auf die AGB der sprechenden Puppe „Hello Barbie“ von Spielzeughersteller Mattel und „Toy Talk“ ein. Dort steht in der Datenschutzerklärung, dass „Hello Barbie“ die Aufnahmen aus den Kinderzimmern speichern, verarbeiten, analysieren und überprüfen darf. Im Klartext: Mit den Daten von Kindern, die dieses Spielzeug nutzen, können Geschäfte gemacht werden.
- SZ: 22 000 Menschen willigen ein, Klos zu putzen (witzige Aufklärungsaktion!!)
- ZEIT: AGB – Zum Lügen gezwungen. Was mir bei diesem Artikel besonders gefällt: Es gibt drei Lösungsvorschläge!!
- Passend dazu die Recherche von Jürgen Vielmeier: Woher haben sie meinen Namen?
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