Es gibt vielversprechende Soft- und Hardware, die den Alltag von Polizisten in Zukunft erleichtern wird. Für jeden Polizeibeamten dürfte beispielsweise „predictive policing“ so verheißungsvoll klingen, wie für ein Kleinkind das bevorstehende Weihnachtsfest. Die Behörden kommen nicht zu einem blutigen Mord, den es aufzuklären gilt, sondern können die grausame Tat bereits im Vorfeld verhindern.
Diese digitale Aufrüstung klingt erfolgsversprechend für die Senkung der Kriminalstatistik, birgt aber auch enorme Gefahren für unsere Grundrechte. Hier drei Beispiele aus polizeilichen Amtsstuben:
Hessens Polizei nutzt Software von Palantir
Die hessische Polizei setzt seit einiger Zeit die Anti-Terror-Software „Gotham“ des Unternehmens Palantir aus dem Silicon Valley ein. Gotham führt große Datenmengen intelligent zu Profilen und Gefahrenzonen zusammen, um potentielle Täter und Tatorte besser bestimmen zu können. Palantir liefert seine Software neben Hessen an Pentagon, FBI und die NSA.
Jetzt hat das Unternehmen, mit besten Verbindungen zum US-Geheimdienst, seinen Fuß in der Tür einer deutschen Polizei und damit Zugriff auf hochsensible Daten. Das sollte jedem Bürger Unbehagen bereiten, zumal Palantir schon mehrfach wegen Datenmissbrauchs in Verruf geraten ist. Der diesjährige Big Brother Award ging auch ganz zu Recht an Hessens Innenminister Peter Beuth, der sich verantwortlich für diese Behörde und ihre Ausstattung zeichnet.
Bodycam-Aufnahmen der Polizei werden auf Amazon gespeichert
Immer mehr Polizisten in Deutschland sind mit Körperkameras – sogenannten Bodycams – ausgerüstet. Diese Geräte können Einsätze dokumentieren und sollen Polizisten vor Angriffen und aggressivem Verhalten auf der Straße schützen. Die Kameras werden bereits zu Testzwecken in einigen Bundesländern eingesetzt, seit Februar 2019 auch bei der Bundespolizei. Den Zugang zu den aufgezeichneten Videos hat die Polizei. Ob sie etwas aufnimmt, löscht, herausgibt oder nicht, ist der Behörde überlassen.
Was zusätzlich für Aufregung sorgt, ist, dass diese sensiblen Daten beim Online-Händler und Cloud-Anbieter Amazon landen. Der US-Konzern sei gegenwärtig der einzige, der in Deutschland eine entsprechende Cloud-Lösung zur Verfügung stelle, die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert sei, erklärte das Bundespolizeipräsidium auf Anfrage. Mit dem derzeitigen Einsatz der Bodycams wird der Datenschutz der Bürger ausgehebelt, da nur die Polizei Gebrauch von den Aufnahmen machen darf, und damit werden elementare Grundrechte verletzt. Dass die Behörden auf einen amerikanischen Anbieter setzen, zeigt erneut den verantwortungslosen Umgang des Staates mit den Daten der Bürger. Stichwort: Cloud-Act.
20.000 iPhones für Polizei in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen stattet seine Polizisten bis zum Jahr 2020 mit 20.000 iPhones 8 aus. Die Apple-Geräte sind mit einer speziellen Software bestückt, die die Polizei in Zukunft besser vernetzen soll. Dazu zählen:
- ein Messenger, um die Kommunikation untereinander zu erleichtern,
- eine Auskunfts-App, die einen Abgleich mit dem polizeilichen Datenbestand ermöglicht,
- ein Dokumentenscanner, der künstliche Intelligenz zum Einlesen etwa von Personalausweisen, Führerscheinen oder Kfz-Kennzeichen nutzt.
Personenbezogene Daten sollen nicht auf dem Smartphone gespeichert werden, verspricht NRW-Innenminister Herbert Reul.
Hmm, da habe ich so meine Zweifel: Zumindest temporär werden personenbezogene Daten auf dem Handy landen, sonst kann die Software nicht vernünftig arbeiten. Natürlich können iPhones auch ohne Apple-Cloud betrieben werden und sind vergleichsweise gut abzuschotten. Dennoch hätte ich es für sinnvoller erachtet, wenn sich die Behörde für ein Open-Source-Handy z.B. mit einem Google-freien Android entschieden hätte. So etwas gibt es, die Handys können von der Behörde oder deutschen Spezialisten gerootet und somit bestmöglich kontrolliert werden. Dann wäre man überdies auch bei der Handy-Hardware flexibler gewesen.
Wenn einfache Bürger auf Markentrends und simple Lösungen anspringen, ist das eine Sache. Die Bundesregierung macht es sich meines Erachtens aber zu leicht. Wir haben genug Experten im Land, um uns unabhängiger von US-Produkten – mit all ihren Begleiterscheinungen wie Datenabfluss, Erpressbarkeit etc. – zu machen.
Und in Sachen Datensensibilität kommt eine Schreckensnachricht aus dem Nachbarland Dänemark. Nach Medienberichten haben Richter aufgrund falsch gespeicherter Daten falsche Urteile gesprochen. Dabei wurden möglicherweise Unschuldige verurteilt und Schuldige freigesprochen.
Und noch eine Randnotiz zum Schmunzeln: Bei der österreichischen Polizei verstauben nagelneue Geräte. Schon vor zwei Jahren wurden 27.000 iPhones und 3.000 iPads angeschafft, die kürzlich originalverpackt im Schrank entdeckt wurden. Der Grund: Einige Beamte fürchten, dass die Smartphones geortet und zu ihrer Überwachung während der Dienstzeit verwendet würden. Da bleiben die Geräte besser wo sie sind, nämlich gut verpackt in der Dienststube ;).
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