Was ist … eine stille SMS?

Heimliche Ortungsimpulse

Wer Anfang des Jahres den TV-Tatort „Bausünden“ mit den Kommissaren Max Ballauf und Freddy Schenk aufmerksam verfolgt hat, dem begegnete die stille SMS auf dem Bildschirm. Die Ermittler haben in der wöchentlichen Krimiserie dieses Ortungsinstrument eingesetzt, um einer verdächtigen Person nachzuspüren. Mit Erfolg!

Weg von der TV-Welt, hin zur Realität: Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA) und Landespolizei setzen die stille SMS seit einiger Zeit verstärkt ein. Dabei bekommen Verdächtige eine speziell codierte Kurzmitteilung auf ihr Handy geschickt, deren Eingang der Empfänger allerdings nicht bemerkt, da das Telefon stumm bleibt und nichts anzeigt. Beim Empfang der Nachricht protokolliert der Netzbetreiber automatisch den Standort des Gerätes.

Die Ortung erfolgt nicht auf den Meter genau, sondern bezieht sich auf die Mobilfunkmasten, bei denen sich das Handy anmeldet. Aus mehreren stillen SMS kann dann ein Bewegungsprofil erstellt werden, das die ermittelnde Behörde vom Netzbetreiber erhält. Verwendet wird diese Methode bei schweren Straftaten wie Mord, Erpressung, Computerbetrug, Drogenhandel und zur Gefahrenabwehr.

Richterliche Anordnung nötig

Die stille SMS, die einen massiven Eingriff in die Privatsphäre darstellt, gehört zum Instrumentenkasten der Telekommunikationsüberwachung und muss von einem Richter genehmigt werden. Je nach Einsatzzweck sind die richterlichen Voraussetzungen durch das Polizeigesetz von Bund und Ländern, der Strafprozessordung im Zollfahndungsgesetz oder dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10) geregelt.

Stille SMS: Einsatz nimmt zu

In den vergangenen Jahren stieg der Einsatz dieses Ermittlungsinstruments rapide. Der Bundesverfassungsschutz verschickte im 2. Halbjahr 2015 knapp 46.000 stille SMS, im 2. Halbjahr 2016 waren es 144.000 und im Vergleichszeitraum 2017 knapp 180.000, wie aus der Regierungsantwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervorgeht. Das entspricht einer Steigerung auf fast das Vierfache innerhalb von zwei Jahren.

Aushöhlung des Rechtsstaates?

Während Ermittler und Bundesregierung die stille SMS als unverzichtbare Polizeimethode verteidigen, sehen Datenschützer sie als einen massiven Eingriff in die Privatsphäre.

Bei bestimmten Einsätzen sei gegen die stille SMS nichts einzuwenden, sagt der Datenschutzbeauftrage in Bayern, Thomas Petri. Aber auch er fürchtet einen Verlust der Privatsphäre und fordert, dass stille SMS nicht zum massenhaft eingesetzten Standard-Instrument werden dürfen. „Durch die neuen Fähigkeiten von Polizei und Diensten wird das Vertrauen in die digitale Privatsphäre weiter ausgehöhlt“, fürchtet Linksfraktionsabgeordneter Andrej Hunko, der die parlamentarische Anfrage der Linken an die Bundesregierung gestellt hatte. Der Politiker hält die Methode für illegal, da die Polizei und Geheimdienste die Kommunikation per Telefon nur passiv abhören dürfen. Stille SMS würden aber von den Behörden aktiv verschickt.

Überwachungswerkzeuge werden hemmungslos eingesetzt

Unabhängig von der Rechtslage halte ich es für hochproblematisch, wenn Überwachungswerkzeuge dieser Art hemmungslos eingesetzt werden. Wie oben dargestellt, dienen sie eigentlich der Verfolgung besonders schwerwiegender Straftaten. Ist deren Häufigkeit seit 2015 um 400 Prozent angestiegen?

In jedem Fall bedeuten diese Zahlen zigtausend richterliche Anordnungen. Und da die Politik sich zunehmend hilflos wähnt, weil Kriminelle digital aufrüsten, hadern die Verfolgungsbehörden mit genau diesem gesetzlichen Hindernis. Nur zu gerne möchte man ohne Zustimmung eines Richters bei Bedarf in die digitale Privatsphäre der Bürger eindringen. Das darf nicht passieren!

P.S: Den Tekkies unter uns empfehle ich einmal einen Blick auf die Android-App „SnoopSnitch“. Mit dieser Open-Source-Anwendung lassen sich „Funkangriffe“ auf ein Smartphone erkennen – sehr schönes Spielzeug. Leider funktioniert das nur mit einer eingeschränkten Auswahl von Geräten, die noch dazu gerootet sein müssen.

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3 Kommentare

  1. Ich frage mich immer schon, ob es nicht möglich sein müsste, die Stille SMS auf Betriebssystemebene abzufangen. In offiziellen Androids wird das sicher nicht passieren, aber LineageOS könnte das machen. Geht das technisch? Ich finde dazu keine Infos…

    1. Das Problem sind die integrierten Funkchips, zum Beispiel von Qualcomm, die über einen eigenen Mikroprozessor oder -Controller verfügen und deren Firmware und Fähigkeiten von den Herstellern geheim gehalten werden (wie das auch bei Intels Management Engine in PCs der Fall ist). Solche Systeme im System besitzen Funktionalitäten, die ihnen volle Kontrolle über ein Gerät geben. Ein installiertes Betriebssystem hat darauf keinen Einfluss.

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