DigitalCharta: Wenn das Boot ein Flugboot wird

DigitalCharta, ©complize/photocase.de
DigitalCharta, ©complize/photocase.de

Eine stürmische Debatte gibt es seit einigen Monaten um die DigitalCharta. Seit der Veröffentlichung des Papiers im Herbst 2016, das die Grundrechte und demokratischen Prinzipien in der digitalen Welt schützen will, diskutieren Netzaktivisten, Juristen und Politiker rauf und runter, ob so eine DigitalCharta gebraucht wird oder eben nicht.

Damit hat die Charta aus meiner Sicht schon einen Sinn erfüllt, nämlich sie hat eine Debatte über den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter angestoßen. Gut so.

Wer die Daten hat, hat die Macht

Wir stecken mit der Digitalisierung des privaten und öffentlichen Lebens in einem großen gesellschaftlichen Veränderungsprozess:

  • Wirtschaftskonzerne bekommen durch unsere brav gelieferten und kostenlosen persönlichen Daten immer mehr Wissen und Macht.
  • Staatliche Aufträge werden zunehmend an Unternehmen vergeben. Damit gibt der Staat einen Teil seiner Macht faktisch an Privatpersonen ab.
  • Demokratien werden durch digitale Manipulation geschwächt. Ich denke beispielsweise an die vergangene US-Wahl.

Und der Bürger? Der steht diesem Wandel ungläubig, irritiert oder völlig unwissend gegenüber.

Friedrich Naumann Stiftung lädt ein

Kürzlich lud die Friedrich Naumann Stiftung mit eben dieser Frage ein „Brauchen wir eine DigitalCharta?“. Auf dem Podium saßen unter anderem Sascha Lobo, Netzaktivist und Mitinitiator der Charta, sowie Hendrik Wieduwilt, FAZ-Korrespondent und Gegner der Initiative.

Das Video zur Veranstaltung.

Sascha Lobo verteidigte die Charta mit einem sehr anschaulichen Bild: „Die Grundrechtserklärung ist wie ein Boot, das Schutz vor dem Ertrinken bietet. Wenn daraus dann ein Flugboot wird, dann braucht es ab einer bestimmten Höhe neben der Schutzweste auch einen Fallschirm“. Und er gab zu, dass „schon einige doofe Sätze in der Charta wie beispielsweise Artikel 5, Absatz 3 enthalten sind.“
(Wortlaut: Artikel 5: Meinungsfreiheit und Öffentlichkeit, Absatz 3: Ein pluraler öffentlicher Diskursraum ist sicherzustellen).

Die DigitalCharta hat handwerkliche Mängel

Hendrik Wieduwilt kritisierte, dass die DigitalCharta von einigen Prominenten unter Ausschluss der Öffentlichkeit aufgesetzt wurde. Er wirft den Verfassern der Charta handwerkliche Mängel vor, beispielsweise Artikel 1, Absatz 3, (Wortlaut: Artikel 1: Würde; Absatz 3: Die Rechte aus dieser Charta gelten gegenüber staatlichen Stellen und Privaten). Der Staat bekomme dadurch große Befugnisse eingeräumt, so Wieduwilt. Wenn die Charta als Thesenpapier diskutiert würde, dann wäre er mit an Bord.

Grundgesetzänderung ist nicht nötig

Beide Positionen sind nachvollziehbar. Grundziel ist, den Bürger in den Wirren der digitalisierten Welt zu schützen. Dafür brauchen wir keine Veränderung des Grundgesetzes. Wir benötigen vielmehr wirksame Regeln, die sicherstellen, dass unsere Grundrechte auch im grenzüberschreitenden, digitalen Raum gesichert bleiben.

Denken wir doch mal an die ursprüngliche Idee des World Wide Web: ein Informationsdienst, der weltweit allen zur Verfügung steht – unabhängig und netzneutral. Es hat keinen Sinn, wenn ein einzelnes Land eine Verfassungsinitiative startet, diese auch noch auf Europa überstülpen möchte, und im Silicon Valley kommt diese Charta – zumal mentalitätsfern – erst gar nicht an. Regeln und Richtlinien für Unternehmen zum Umgang mit Kunden im Sinne eines guten Verbraucherschutzes, können aber durchaus auf nationaler Ebene starten.

Hintergrund DigitalCharta:

Ende des Jahres haben 27 BürgerInnen zusammen mit der „Zeit-Stiftung“ eine Europäische Charta der digitalen Grundrechte erarbeitet. In 23 Artikeln schlagen die Initiatoren Prinzipien für den Umgang mit Daten, künstlicher Intelligenz und Robotik vor. Ausgangspunkt war die Frage, die der verstorbene FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher zusammen mit Martin Schulz stellte: Wie lässt sich die Souveränität und Freiheit des Einzelnen in der digitalen Welt schützen – gegen die Totalüberwachung durch den Staat, aber ebenso auch gegen den Zugriff mächtiger Konzerne?

The European: Reif für die digitale Charta?

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