- Elektronische Patientenakte kommt nach Plänen des Gesundheitsministers 2021
- Wegen Zeitdrucks liegt die Datenhoheit bei Einführung nicht beim Patienten
- Es besteht dadurch die Gefahr, dass die sensiblen Daten in falsche Hände geraten
Vor mehr als 15 Jahren erfolgte der Startschuss für die elektronische Gesundheitskarte. Aber erst 2015 – 10 Jahre später – lag eine Plastikkarte mit Chip und Foto im Briefkasten – ausgestellt von der jeweiligen Krankenkasse. Bis heute sind darauf nur Name, Adresse, Geburtsdatum, Versichertenstatus und Versicherungsnummer gespeichert, obwohl nach den Plänen der Bundesregierung die Karte in den vergangen Jahren sukzessive zu einer elektronischen Patientenakte (ePA) umgewandelt werden sollte. Bislang ist es nicht gelungen, die Karte zum sicheren Austausch von Patientendaten etwa zwischen Ärzten, Therapeuten und Krankhäusern zu etablieren.
Elektronische Patientenakte kommt 2021
Möglicherweise kommt die ePA im Jahr 2021. Das hat sich jedenfalls Gesundheitsminister Jens Spahn ganz weit oben auf seine To-do-Liste gesetzt und diesen Termin kürzlich der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Wichtig ist dem Minister, dass neben der Chipkarte der Datenzugriff auch über mobile Geräte wie Smartphone oder Tablets möglich ist. Der Austausch von Therapieplänen, Laborwerten, Röntgenbildern, Impfpässen, Medikamenteneinnahmen und/oder Behandlungsberichten wird über eine „Telematikinfrastruktur auf höchstem Sicherheitsstandard“ erfolgen, so Spahn. Damit sollen die Versorgung für Patienten verbessert, Doppeldiagnosen vermieden und Ärzte und Pflegekräfte entlastet werden. Wechseln Patienten die Krankenkasse, können sie die elektronische Patientenakte einfach mitnehmen.
Mit der technischen Architektur und der damit notwendigen Schnittstellen ist die Gesellschaft für Telematik (Gematik) beauftragt. Deren Aufgabe ist es, sensible Patientendaten absolut sicher und staatlich geprüft durch alle Gesundheitseinrichtungen zu schicken. Gelagert werden entsprechende Daten zentral und verschlüsselt in Deutschland.
Datenhoheit liegt nicht beim Patienten
Eine wesentliche Anforderung an die ePA war, dass die Patienten die Hoheit über ihre Daten behalten. Sie sollten selbst entscheiden können, wer auf welche Informationen zugreifen kann.
In der ersten Version können Patienten aber genau das nicht, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich berichtete. Die differenzierte Rechtevergabe solle in Folgestufen umgesetzt werden, erklärten Vertreter der Gematik. Erst einmal soll die Patientenakte eingeführt werden, die Rechte für Patienten werden dann nachgeliefert. Grund sei der hohe Zeitdruck.
Gefahr, dass sensible Daten in falsche Hände geraten
Diese mangelnde Differenzierung hat weitreichende Konsequenzen für Patienten. Sie haben dann keinen Einfluss darauf, für wen welche ihrer persönlichen Daten zugänglich sind. Damit besteht die Gefahr, dass beispielsweise Diagnosen über ansteckende Krankheiten, chronische Leiden oder psychische Probleme in die falschen Hände geraten. Was geht es bitte den Orthopäden an, wenn der Patient in psychotherapeutischer Behandlung ist? Muss der Apotheker wissen, ob seine Kundin einen Schwangerschaftsabbruch hatte? Gesundheitsdaten sind darüber hinaus von der Werbeindustrie und Cyberkriminellen sehr begehrt – legal oder illegal erworben.
Datenschützer und Oppositionspolitiker sind wegen der mangelnden Differenzierung alarmiert. Gesundheitsdaten sind hochsensibel, und nach Artikel 9 der DSGVO zählen sie zu den besonders schützenswerten Daten.
Die ePA ist unbestritten eine große Chance, die Möglichkeiten der Digitalisierung auch im Gesundheitswesen stärker zu nutzen.
Es bedarf aber höchster Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz, Herr Spahn, bevor Sie die elektronische Patientenakte in den Umlauf bringen!
Aktualisierung vom 19. Juli 2019
Auf Betreiben des Gesundheitsministers Jens Spahn wurde am 10. Juli 2019 das Digitale Versorgungsgesetz (DVG) vom Bundeskabinett verabschiedet..
Der Entwurf sieht u.a. vor, dass Krankenkassen mit Patientendaten Marktforschung betreiben und die Ergebnisse mit der Wirtschaft teilen können – nach Pseudonymisierung oder Anonymisierung der Daten. Ärzte können in Zukunft neben Medikamenten auch Gesundheits-Apps verschreiben und bei Krankenkassen abrechnen und die Telemedizin, z.B. eine Videosprechstunde, soll ausgebaut werden.
Sämtliche Regelungen zur elektronischen Patientenakte fehlen, wie die Opposition kritisiert.
Das DVG soll nach der Sommerpause mit Bundesrat und Bundestag abgestimmt werden. und schon im Januar 2020 in Kraft treten.
Humorvolles Youtube-Video über Chancen und Risiken von Gesundheitsdaten
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Sehr geehrter Herr Schramm,
stellvertretend für viele andere Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht über den „Konnektor“ an die „Telematik-Infrastruktur“ (TI) anbinden lassen (ca. 30% der Ärztinnen und Ärzte sind nicht angeschlossen, obwohl die Erstausstattung bezahlt wird und wir bei Nichtanbundung einen Gehaltsabzug bekommen), schreibe ich Ihnen als betroffene niedergelassene Internistin in München. Wir lehnen die Digitalisierung nicht ab, sehen aber den Datenschutz und die Schweigepflicht in Gefahr, wenn wir Patientendaten wie geplant über den Konnektor auf private Server der Firmen Bertelsmann/Avarto speichern. Ein Großteil unserer Patienten steht solch einer zentralen Datenspeicherung ebenfalls kritisch gegenüber. Wir möchten eine sichere Verbindung zum Datenaustausch untereinander, mit Kliniken und unseren Patienten, aber keine zentrale Datenspeicherung in der Cloud. Eine Gruppe Münchner Ärzte hat deshalb eine Petition an den Deutschen Bundestag verfasst, in der wir fordern, dass die Datenspeicherung für Ärzte und Patienten dauerhaft freiwillig bleiben muss und die Strafen für die Ärzte, die sich nicht anschließen lassen, abgeschafft werden müssen. Unsere Petition wurde bereits am 2.9.19 beim Petitionsausschuss eingereicht, ist jedoch leider immer noch nicht freigeschaltet. Wir sammeln auf Listen in unseren Praxen Unterschriften, machen Informationsstände in der Innenstadt und sind inzwischen bundesweit vernetzt. Bislang sind etwa 8000 Unterschriften zusammengekommen. Wir brauchen 50.000 Unterschriften, um vor dem Petitionsausschuss gehört zu werden. Gerne können Sie unsere Petition weiterverbreiten, da die Pläne der Bundesregiereung den meisten Patientinnen und Patienten gar nicht bekannt sind. Die Petition findet sich auf unserer Website auch in einfacher Sprache, da die meisten Menschen mit den Begriffen IT, TI und Petition gar nichts anfangen können.
Mit freundlichen Grüßen
v. Mücke
Dr. med. Karen v. Mücke
Internistin, Diabetologische Schwerpunktpraxis
München
Sehr geehrte Frau Dr. v. Mücke,
als Mensch in der Rolle des Patienten, der zwangsläufig darauf vertrauen muss, dass Ärzte stets das Richtige tun, freut und beruhigt es mich gleichermaßen, dass es Mediziner wie Sie und Ihre Kollegen gibt, die mutig und sogar unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile für unser aller Sicherheit eintreten und ihre ganz besondere Stellung in unserer Gesellschaft – allen Widrigkeiten des „Neulands“ zum Trotz – ernst nehmen und verteidigen. Es ist mir daher ein selbstverständliches Anliegen, die Webadresse Ihrer Seite noch zu ergänzen – https://www.gesundheitsdaten-in-gefahr.de/ – und ich hoffe darauf, dass Sie gehört werden, bevor nicht wieder gut zu machende Schäden angerichtet sind.
Herzlichst,
Ihr Karsten Schramm
Ich freue mich ja auch über die Engagiertheit der Ärzte. Dennoch: Ich möchte die Hoheiheit über meine G-Daten haben, auch gegenüber Ärzten. Ich möchte selber entscheiden dürfen, welcher Arzt / Ärztin mein Vertrauen verdient. Und nur der verdient es, der sich nicht über meinen Kopf hinweg mit anderen Kollegen, ohne mein expliztes Einverständnis dafür erhalten zu haben, austauscht. Ich möchte von KEINEM im Gesundheitswesen Tätigen als Objekt behandelt werden und mich meines Rechts auf freie Arztwahl und Selbstbestimmung beraubt sehen müssen.
Freundlichst
Datena